23 Januar 2007

Nicaragua in der ALBA

Nicaragua zwischen US-Macht und Hugo Chávez PDF Drucken E-Mail
Montag, 22. Januar 2007
Die bolivarische Alternative
breitet sich weiter aus


Von unserem Korrespondenten Timm B. Schützhofer


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 „Vergessen Sie die Treib-
stoffprobleme in Nicara-
gua" - Chávez und Vene-
zuelas Öl verändern Süd-
amerika. Foto: Photocase

Managua (tbs). "Jetzt sind wir ALBA", titelte die linksliberale Tageszeitung El Nuevo Diario einen Tag nach der Amtsübernahme durch Daniel Ortega. Die bolivarische Alternative für Amerika, durch den venezolanischen Präsidenten Hugo Chávez erstmals im Jahr 2001 propagiert, breitet sich weiter aus. Das ALBA-Bündnis, welches zunächst von Venezuela und Kuba als Gegenmodell zur von den USA propagierten Freihandelszone ALCA gegründet wurde, umfasst nun vier Mitgliedsstaaten: Kuba, Venezuela, Bolivien - und Nicaragua.

Bei der ALBA bemüht man sich um solidarische Handelsbeziehungen. Während Venezuela neue Abnehmer für sein Öl erhält, gibt es den anderen Mitgliedsstaaten die Möglichkeit, das Öl durch Warenlieferungen oder Dienstleistungen zu bezahlen. Besonders wichtig für die „Bolivarische Revolution" sind hierbei die Lehrer und Ärzte aus Kuba, die in den so genannten „Missiones" die Bildungs- und Gesundheitsversorgung verbessern.

Für Nicaragua bedeutet das Abkommen vor allem die Konkretisierung der schon im Wahlkampf versprochenen venezolanischen Hilfe durch günstiges Öl, Installierung von Stromkraftwerken und den geplanten Bau einer Raffinerie. Unter dem Jubel der Gäste im Theatro Rubén Dario erklärte Hugo Chávez bei der Unterzeichnung des Vertrages: „Vergessen sie die Treibstoffprobleme in Nicaragua".

Die Unterstützung für die ALBA scheint in Nicaragua groß zu sein. So groß, dass selbst der neoliberale ehemalige Präsidentschaftskandidat Eduardo Montealegre das Abkommen gut hieß. Dies geschah nur einen Tag nach der Amtsübernahme durch Ortega, den Chávez und Morales, so scheint es, auf einen linken anti-imperialistischen Kurs bringen möchten.

Als in den späten Abendstunden immer noch Zehntausende, vielleicht Hunderttausende, die Amtsübernahme durch Daniel Ortega feierten, ergriff auch der bolivianische Präsident Evo Morales das Wort. Nach einem Lob auf Nicaragua und auf die lateinamerikanische Einheit rief er schließlich: „Tod dem nordamerikanischen Imperialismus!". Der Höhepunkt des viel beachteten Chávez-Auftritts war das Bekenntnis: „Sozialistisches Vaterland oder Tod", das ebenfalls lauten Jubel auslöste.

Daniel Ortega kritisierte die Folgen von 16 Jahren Neoliberalismus. „Nicaragua kann nicht frei sein mit Analphabetismus, Nicaragua kann nicht frei sein mit Hunger", rief er seinen Anhängern zu. Seine Rede kann als eher moderat eingestuft werden, wie auch die ersten Schritte seiner Regierung. Die bestehenden Freihandelsverträge mit den anderen zentralamerikanischen Staaten und der Dominikansichen Republik, DR-CAFTA und das Freihandelsabkommen mit Taiwan sollen weitergeführt werden. Die Investitionen in die umstrittenen Zonas Francas, wo vor allem billige Textilprodukte hergestellt werden, gehen also weiter.

Daniel Ortega kann sich auch keine laute Kritik am IWF erlauben, den Chávez schon mal als verbrecherische Organisation brandmarkt, da Nicaragua zu abhängig von weiteren Krediten ist. Auf zentralamerikanischer Ebene stellt sich Ortega als Förderer der Integration dar und bemüht sich um gute Kontakte zu den meist rechtsgerichteten Staatschefs der Region.

Immerhin hat sich der Ortega bei seiner ersten Rede als Präsident klar gegen weitere Privatisierungen ausgesprochen. Der neue Bildungsminister Miguel de Castillo erklärte, er plane, alle während der vergangenen sechzehn Jahre beschlossenen Gesetze, die das Recht auf gebührenfreie Schulbildung verletzen, rückgängig zu machen.

Auch andere Gesetze, die das Recht der Bevölkerung auf Erziehung verletzen, sollen abgeschafft warden. Eine venezolanische Bank will zudem günstige Kredite in Höhe von zunächst insgesamt 20 Millionen US- Dollars an nicaraguanische Bauern verteilen. Die jährlichen Zinsen betragen nur 2 Prozent. Die Campesinos müssen erst nach 2 Jahren anfangen, die Kredite zurück zu zahlen.

Die politische Landschaft hat sich verändert in Lateinamerika, der US-amerikanische Hinterhof hat an Selbstbewusstsein gewonnen. Linke oder Mitte- links Regierungen gibt es inzwischen in Chile, Argentinien, Uruguay, Brasilien, Ecuador, Venezuela, Panama, Haiti, Kuba und Nicaragua. „Wir werden immer mehr", freute sich Hugo Chávez, nachdem sein Freund Rafael Correa die Wahlen in Ecuador gegen den Bananentycoon Alvaro Noboa gewonnen hatte.

In vielen Ländern spielte Chávez eine wichtige Rolle im Wahlkampf, und oft genug haben die von ihm favorisierten Kandidaten gewonnen. Als erster großer Erfolg von Chávez lässt sich die Ablehnung der Freihandelszone ALCA 2005 durch die Staaten des Mercosur und Venezuela verbuchen. Heute ist auch Venezuela Mitglied des Mercosur. George Bush war 2005 schon vor der Abschlusskonferenz abgereist, wahrscheinlich um nicht mit Chávez diskutieren zu müssen. Den Versuch von kanadischer und US-amerikanischer Seite im Abschlussprotokoll festzuhalten, dass eine große Mehrheit der Länder das Freihandelsabkommen von Alaska bis Feuerland befürworte, konterte Chávez mit einem Ruf nach Volksabstimmungen, schließlich seien nur die Regierungen, nicht aber die Völker für das Abkommen.

Die USA konnten seitdem durchaus Teilerfolge durch bilaterale Abkommen verzeichnen. So wurden Freihandelsabkommen mit Zentralamerika, außer Costa Rica, sowie mit Peru und Kolumbien unterzeichnet. Dabei geht es wie bei der ALCA um weit mehr als um die Öffnung der Grenzen. Auch der freie Zugang für US-Investoren in die jeweiligen Länder, weitere Privatisierungen öffentlicher Dienstleistungen, strikte Patentgesetze, die alles patentierbar machen, sind Teil der Vereinbarungen. Von linken Ökonomen wird Ortega deshalb für sein Festhalten an der DR-CAFTA kritisiert.

Die Unabhängigkeit von den USA wird derweil auch bei den Medien vorangetrieben. Seit 2005 ist der Gemeinschaftssender Telesur auf Sendung, der als Gegenmodell zu CNN gedacht ist. Venezuela, Brasilien, Argentinien und Kuba sind an dem Sender beteiligt. Er soll die kulturelle Identität Lateinamerikas fördern und bietet ein Alternative zum US-freundlichen CNN.
 
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12 Januar 2007

Amtsübergabe Nicaragua

Mit Freihandel, Sozialen Hoffnungen und dem Papst zum Sieg

 

Am 10. Januar übernahm Daniel Ortega nach drei verlorenen Wahlen die Präsidentschaft. Die Politik der FSLN ist nicht leicht einzuschätzen. Wie immer füllte Ortega, wo immer er hinkam, Straßen und Plätze. Doch diesmal zitierte er Johannes Paul II., wenn er den Neoliberalismus kritisierte. Dieser habe den Neoliberalismus als „grausamen Kapitalismus" kritisiert. Von Sozialismus, sprach der später von Hugo Chávez als „sozialistischer Präsident" Nicaraguas empfangene  Präsident nicht. Trotzdem sieht man in vielen regionalen Parteizentralen der  FSLN Portraits von Chávez, Castro und Guevara.

 

Im Wahlkampf sah man  Daniel Ortega oft eher als Wanderprediger denn als ehemaligen Revolutionär. „So viele Kanonen, so viele infame Lügen, die sie gegen uns richten, doch aus unseren Mündern wird kein schlechtes Wort kommen, wir antworten mit Arbeit, mit Liebe und mit Wiederversöhnung", wandte sich Ortega an seine Zuhörer. Plötzlich sah man die Fahne der Partido Resistencia Nicaraguaense (Contra) oder Yatama (Miskito), also ehemalige Kriegsgegner der Sandinisten, bei Veranstaltungen der FSLN. Auch der emeritierte Kardinal Obando y Bravo, früher ein Gegner der FSLN, gilt heute als Verbündeter. Um das Bündnis mit der Kirche nicht zu gefährden, stimmte die Fraktion der FSLN für das völlige Verbot der Abtreibung. An nicht wenigen Häusern sah man deshalb das Konterfei Daniels neben Anti- Abtreibungsplakaten der katholischen Kirche mit dem Slogan „Abtreiben ist Töten" an der Wand hängen. Von Frauenorganisationen und der internationalen Gebergemeinschaft gab es scharfe Kritik an dem neuen Gesetz, das besonders ärmere Frauen betreffen wird. Die wohlhabenden werden in Miami abtreiben lassen und die Sandinisten auf Kuba.

"Dieses Gesetz, das die Menschenrechte verletzt, darf nicht wirksam werden. Es verletzt die elementaren Rechte von Frauen in Nicaragua, wenn Schwangerschaftsabbruch in jedem Fall unter Strafe gestellt wird – auch wenn das Leben der Mutter gefährdet ist oder die Frau vergewaltigt wurde", erklärte die Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit Heide-Marie Wieczoreck- Zeul. Nicaragua hat nun mit Chile und El Salvador das strengste Abtreibungsgesetz Lateinamerikas. Die chilenische Präsidentin Michelle Bachelet schwächte alledings die strengen Abtreibungsgesetze durch ein präsidiales Dekret ab, welches die Einnahme der Pille danach innerhalb von 72 Stunden erlaubt.

 

Daniel Ortega hat rund 38 Prozent der Stimmen erreicht, die Mehrheit der Nicaraguaner hat weiterhin ein klar negatives Bild von Daniel Ortega. „Wie kann das sein? Der Teufel kommt und es hört auf zu regnen", rief eine Anhängerin Eduardo Montealegres kurz vor der Ankunft Daniel Ortegas in der Provinzhauptstadt Rivas. Doch Daniel Ortega weiß vor allem, wie er die Armen in Nicaragua ansprechen muss. Er spricht von den Dächern aus Plastikplanen, von den Kindern, die arbeiten müssen, vom Hunger und davon, dass er dies ändern wird. Dass einige

dieser armen Menschen trotzdem die Liberalen wählen, könne man ihnen nicht vorwerfen.Sie seien Opfer der Ignoranz und fehlender Bildung, so Ortega. Tatsächlich wirkte die Angst vor der Wirtschaftsblockade durch die USA, vor der Wiedereinführung der Wehrpflicht und einem möglichen Bürgerkrieg im Wahlkampf immer noch nach.

Die Antwort viele FSLN Anhänger darauf, warum sie Daniel Ortega unterstützen, ist

einfach: „Weil Daniel für die Armen ist." Durch Daniel hoffen sie auf eine bessere Gesundheitsversorgung und auf Schulbildung für ihre Kinder.

 

Seit dem Wahlsieg Daniel Ortegas ist nichts Gravierendes passiert. Der neue Präsident möchte mit den internationalen Organisationen zusammenarbeiten und auch die Beziehungen zu den USA scheinen sich zu normalisieren. Ortega betont die Sicherheit für Investoren und die Achtung des Privateigentums. Mit venezolanischer Hilfe werden bereits Stromkraftwerke installiert, die dabei helfen sollen die täglichen, meist mehrstündigen Stromausfälle zu beenden. Ob das Versprechen die Gehälter,

der hohen öffentlichen Funktionäre, die zwischen 7000 und 15 000 US-Dollar monatlich verdienen, zu senken, erfüllt wird, muss abgewartet werden.

02 Januar 2007

Artikel in der OP

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Timm Schützhofer (links) und Gerhard Ulrich zu Besuch bei einer durch das Projekt begünstigten Familie. Foto: p

Bedrückende Armut und Kinderarbeit

Timm Schützhofer absolviert seit Juli seinen Zivildienst in Nicaragua: Offenbacher plant Brunnen und den Gemüseanbau

Offenbach (siw) -Was tun, wenn das Wasser nicht einfach aus dem Hahn fließt? Wie geht es weiter, wenn wieder einmal der Strom ausfällt? Vieles, das hierzulande selbstverständlich ist und verlässlich funktioniert, ist in anderen Teilen der Welt oft ganz anders.

Das erlebt der junge Offenbacher Timm Schützhofer gerade in Nicaragua. Im Frühsommer hatte er sein Abitur in der Tasche, seit 5. Juli lebt der ehemalige Rudolf-Koch-Schüler in Nicaragua bei einem Lehrerehepaar. Man wohnt in der "Kolonie der Lehrersolidarität", die in den 80ern mit Schweizer Hilfe gebaut wurde. Der junge Mann ist Mitglied des Offenbacher Partnerschaftsvereins Para Nicaragua (Panic), der sich seit Jahren in Rivas engagiert, und absolviert derzeit den so genannten Anderen Dienst im Ausland (ADiA).

Jetzt beschäftigt er sich mit Fragen der Wasserversorgung, plant neue Brunnen und organisiert den Gemüseanbau in La Chocolata, einem Vorort von Offenbachs Partnerstadt.

Timm Schützhofer ist familiär vorbelastet: Vater Rolf war 1985 Mitbegründer von Panic und lange als Kassenwart tätig. Timm Schützhofers Bruder Nico war von 2001 bis 2002 ebenfalls in Nicaragua und engagierte sich für die Städtefreundschaft Frankfurt-Granada in Granada.

Der Offenbacher selbst hat sich aus verschiedenen Gründen dafür entschieden, seinen Zivildienst in Nicaragua zu machen. Mit der Geschichte, der Kultur und der politischen und sozialen Situation des mittelamerikanischen Landes hat er sich schon länger beschäftigt. Er konnte sich sicher sein, dass er in Rivas auf viele verschiedene Betätigungsfelder stoßen würde. Schließlich ist Nicaragua eines der ärmsten Länder der Welt und es gibt einen riesigen Bedarf an Hilfe.

Begeistert ist Schützhofer nach wie vor von der wunderbaren Landschaft, mit Bergen im Norden, schönen fast unberührten Stränden an der Pazifikküste und dem Nicaraguasee mit der Insel Ometepe. Die Menschen seien meist sehr freundlich und herzlich, schnell komme man ins Gespräch, berichtet er: "Bedrückend ist für mich immer noch die oft extreme Armut und die Kinderarbeit, die man vor allem auf den Märkten und in den Bussen sieht. Hier werden Erfrischungsgetränke und kleine Snacks oft schon von unter Zehnjährigen verkauft."

Schwierig findet es der Zivildienstleistende, dass die meisten Nicaraguaner notorisch zu spät kommen, dass Verabredungen oft nicht eingehalten werden: "Noch dazu fällt ständig der Strom aus, wodurch vieles einfach deutlich länger dauert als in Deutschland. Wenn der Strom ausfällt, fällt auch meistens bald das Wasser aus. Wenn es Wasser gibt, wird es in Eimern gesammelt."

Das billigste Essen in Nicaragua sind Reis und Bohnen. "Gallo pinto" wird in vielen Familien fast ausschließlich gegessen - morgens, mittags, abends - und auch für diese drei Mahlzeiten reicht es nicht jeden Tag. In Nicaragua sind rund 1,5 Millionen Menschen unterernährt. Dies entspricht 27 Prozent der Bevölkerung.

Als Gerhard Ullrich von Para Nicaragua im Frühjahr 2006 nach Nicaragua aufbrach, hatte er sich zum Ziel gesetzt, mit Familien in der ländlichen Gemeinde La Chocolata Gemüsegärten anzulegen. Die Menschen reagierten zunächst skeptisch auf das Projekt. Doch nach wenigen Monaten waren die ersten Ergebnisse zu sehen: Gurken, Tomaten, Chili, Paprika und andere Gemüsesorten konnten geerntet werden. Jetzt wuchs auch das Interesse der Menschen. Heute besitzen 22 Familien einen Gemüsegarten.

Als nächstes sollen Brunnen gebaut werden, um die Wasserversorgung zu verbessern. Um die nächsten Schritte einleiten zu können, ist der Verein auf Spenden angewiesen. Das Geld kommt fast ausschließlich den Begünstigten in Nicaragua zu Gute, mit denen man direkt zusammenarbeitet. Die Verwaltungskosten betragen weniger als drei Prozent des Jahresetats: Para Nicaragua, Konto 84875, Sparkasse Offenbach, BLZ 50550020