24 April 2007

Sozialversicherung Barrio Christo Rey

Die Sozialversicherung im Barrio Christo Rey heißt Don Raúl
Der Pferdewagenfahrer
Von Timm B. Schützhofer

Ich mache seit einem halben Jahr meinen „Anderen Dienst im Ausland" (ADiA), in Rivas, einer Kleinstadt im Süden von Nicaragua. Der ADiA ist dem Zivildienst gleichgestellt. Meine ADiA-Arbeit leiste ich in einem Gartenprojekt des Vereins „Para Nicaragua" („Für Nicaragua"), in das 22 Familien ihre Hoffnungen setzen. Heute ist Sonntag, also habe ich frei.

Don Raul
Stolz auf seine Spendenquittungen - Don Raúl
Foto: NRhZ-Archiv


Mit meinem Fahrrad biege ich von der Hauptstraße links ab, in Richtung des Badeorts San Jorge und sehe schon von weitem die rot-schwarze Fahne im Barrio Christo Rey. Hier sitzt Don Raúl vor seinem einfachen Haus im Vorgarten, und seine Frau verkauft hier Frescos und Früchte, um etwas dazuzuverdienen. "Tinn, Tim, a la playa", begrüßt mich ihr Enkel Edito, denn heute soll es mit dem Pferdewagen an den Strand des Nicaraguasees gehen. Für die 10 Kilometer bis zum See brauchen wir eine Stunde und haben dann einen schönen Strand mit Blick auf die Vulkaninsel Ometepe fast für uns allein. Reis und Bohnen, Limonade und Chips sind unsere Verpflegung für den Tag.

Mit Don Raúl arbeitet „Para Nicaragua" schon seit etwa zehn Jahren zusammen. Zuletzt konnten wir den Spielplatz im Barrio mit Spendengeldern verbessern. Über 500 Euro haben uns eine Rutsche und zwei Wippen gekostet. Ohne Don Raúl, wäre es weitaus teurer geworden, denn er kennt alle Geschäfte und Werkstätten und ist außerdem ein geschickter Händler. Mit moralischen Appellen und Preisvergleichen gelingt es ihm in der Regel, die Preise noch weiter runter zu drücken. „Aber es ist doch für die Kinder", wirkt er auf die VerkäuferInnen ein.

Spielplatzeinweihung im Barrio
Spielplatzeinweihung im Barrio

Bis der Spielplatz fertig war, dauerte es einige Wochen. Schließlich mussten wir der Werkstatt das Material besorgen und anliefern - alles mit Hilfe von Don Raúls Pferdewagen -, und dann hieß es abwarten, bis alles zusammengeschweißt war. Einfache Katalogbestellungen machen kann man hier in Rivas nicht.

Bei der Einweihung des Spielplatzes wurde mir eine Dankeskarte überreicht. Es waren viele Leute da, und Don Raúl bedankte sich in einer kleinen Rede bei allen, die mitgeholfen hatten: bei den zwölf jungen Männern, die die Löcher ausgruben und beim Einbetonieren der Spielgeräte halfen, bei den Spendern aus dem Barrio, die Süßigkeiten, Limonada und Torte gespendet haben und natürlich bei den Spendern aus Deutschland.

Don Raúl ist in ganz Rivas bekannt und überzeugter Sandinist. Daniel Ortega hängt eingerahmt an der Wohnzimmerwand. "Weil Daniel für die Armen ist", erklärt er mir. Mit der Rückkehr von Daniel Ortega an die Macht, so hofft er, werde sich auch das Bildungs- und Gesundheitssystem verbessern. Aber Don Raúl wartet nicht nur auf die Regierung, sondern versucht selbst etwas zu ändern. Für viele Leute hier ist er so etwas wie eine Sozialversicherung.

Rutsche
Ohne Spenden aus Deutschland gäbe es die Rutsche nicht
Fotos:  Timm B. Schützhofer


"Wenn jemand krank ist und Geld für Medikamente oder eine Operation braucht, gehe ich mit einigen Freunden durchs Viertel und sammle Geld ein", sagt er. Manchen Menschen sei es zwar peinlich, um Geld zu bitten, ihm aber nicht, weil er es ja nicht für sich tut. Manche hätten auch kein Vertrauen zueinander. "Deshalb zeige ich immer alle Quittungen, damit niemand sagt, Don Raúl bereichert sich", sagt er. Hilfe bekommt er gelegentlich auch von Venancio Ibarra, der sandinistischen Abgeordneten von Rivas. Doch auch mit dem liberalen Bürgermeister hat er schon zusammengearbeitet. "Das Wichtigste ist doch, die Probleme der Menschen lösen", begründet er das.

Fragt man die Menschen in den ärmsten Straßen des Viertels, an wen sie sich in einer Notlage wenden würden, hört man erstaunlich oft den Namen des "Pferdewagenfahrers", der selbst jeden Tag um 2 Uhr morgens aufsteht, mit seinem Carreton Fleisch vom Schlachthof zum Markt transportiert, um sich und seine Familie über die Runden zu bringen. Die Menschen hier fühlen sich von den Politikern schon lange vergessen. Ihre Wellblechdächer sind undicht, alle haben hier im letzten Jahr Hungerzeiten durchgemacht, vertrauen sie uns an.

Para Nicaragua wird auch weiter mit Don Raúl zusammenarbeiten, weil wir sicher sein können, dass die Preise, die wir über ihn für Material und Transporte bezahlen, angemessen sind, und dass unsere Spenden durch seine Vermittlung auch den wirklich Bedürftigen zukommen. Wenn Sie unser Projekt unterstützen wollen, helfen Sie uns mit einer Spende an „Para Nicaragua", Konto 84875, Sparkasse Offenbach, BLZ 50550020, Stichwort: Gartenprojekt



Timm B. Schützhofers Arbeit für „Para Nicaragua" findet im Rahmen der Landwirtschaftshochschule Escuela Internacional de Agricultura y Ganadería (E.I.A.G.) und des zivilgesellschaftlichen Bündnisses Coordinadora Civil (CC) statt, in dem mehr als 350 soziale Bewegungen und Nichtregierungsorganisationen zusammengeschlossen sind. Bei der CC ist er besonders für eine Kampagne gegen die IWF-Auflagen für Nicaragua aktiv.
Weitere Informationen über Para Nicaragua www.paranicaragua.de und www.rivas-nicaragua.blogspot.comhttp://www.nicaragua-forum.de/06/iwf-accion.htm


Der Andere Dienst im Ausland (ADiA) ist ein sozialer Dienst und als Wehrersatzdienst anerkannt, kann also anstelle eines regulären Zivildienstes abgeleistet werden

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20 April 2007

Interview

Interview mit Heike Hänsel, Entwicklungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag.

Sie unterstützen die Kampagne von Intermon Oxfam und der Coordinadora Civil für eine Flexibilisierung der IWF Auflagen für Nicaragua. Was stört sie an Auflagen und Forderungen des Währungsfonds? 

Der Internationale Währungsfonds hat gerade erst auf seiner Frühjahrstagung wieder seinen Kurs auf noch mehr Freihandel und noch mehr Liberalisierung bekräftigt. Die Menschen in Lateinamerika haben aber genug von dieser Politik, die ihnen nichts Gutes gebracht hat. Sie versuchen neue Wege internationaler Kooperation und wirtschaftlicher Integration zu gehen, zum Beispiel im Rahmen des Abkommens ALBA (Bolivarische Alternative für Amerika), dem u. a. auch Nicaragua beigetreten ist. Und hier beginnt das Problem: Die Politik des IWF behindert die solidarische Integration im Rahmen von ALBA. So schränken die IWF-Auflagen ganz konkret die Möglichkeiten der nicaraguanischen Regierung ein, die Kooperation über die öffentlichen Haushalte abzuwickeln, z. B. günstige Kredite aufzunehmen. Das führt dazu, dass auf die Abwicklung in privatrechtlich verfassten Unternehmen zurückgegriffen werden muss, was wiederum nicht im Sinne einer linken Regierung und eines linken Kooperationsprojektes sein kann.    
 
Nicaragua und andere Entwicklungsländer liegen bei den Millenniumszielen weit zurück. Was kann Deutschland tun, damit diese Länder die Ziele trotzdem erreichen?  

Die jüngste OECD-Veröffentlichung hat gezeigt: Die weltweite Entwicklungshilfe ging 2006 um 5 Prozent zurück. Entwicklungsbezogene Nichtregierungsorganisationen malen ein noch düstereres Bild. Sie kritisieren, dass die OECD auch solche Mittel als Entwicklungshilfe anrechnet, die keinen Beitrag zur Armutsbekämpfung leisten. Insbesondere wird immer wieder die Anrechnung von Schuldenerlässen kritisiert, mit denen sich die Industrieländer ihre ODA-Quote (Anteil der Entwicklungshilfe am Bruttonationaleinkommen) schön rechnen. Das gilt auch für Deutschland. Es muss erheblich mehr zusätzliches Geld locker gemacht werden, wenn die international vereinbarten Ziele zur Anhebung der ODA-Quote nachhaltig erreicht werden sollen.  

Noch wichtiger ist allerdings m. E., dass die Bundesregierung und die EU in Fragen der internationalen Wirtschaftsordnung umsteuern. Leider ist das Gegenteil der Fall: Am 23. und 24. April tagt der Rat für Allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen der EU. Ihm liegen gleich mehrere Verhandlungsmandate zur Verabschiedung vor, mit denen die EU-Kommission rund um den Globus ihre Freihandelspolitik durchsetzen soll. Diese Freihandelspolitik hat bereits Entwicklungschancen von Millionen vernichtet, hier brauchen wir einen völlig neuen Ansatz – ALBA kann da u. a. ein Vorbild abgeben.  
 
Derzeit wird ein Assoziationsabkommen zwischen EU und Lateinamerika geplant. Worum geht es bei diesem Abkommen? 

Es werden sogar gleich mehrere Abkommen vorbereitet. Eines zwischen der EU und Zentralamerika, ein weiteres zwischen der EU und der Andengemeinschaft. Beide sollen schon sehr bald parallel verhandelt werden. Später sollen dann auch die Verhandlungen mit dem Mercosur wieder aufgenommen werden. In diesen Abkommen und vielen weiteren, die die EU vorbereitet, will sie solche Ziele, die sie im Rahmen der Welthandelsorganisation nicht durchsetzen kann, auf die Agenda setzen: Investitionsschutz für europäische Konzerne, Harmonisierung des Wettbewerbs, Öffnung der öffentlichen Beschaffungsmärkte, Schutz geistigen Eigentums (TRIPS +). All diese Themen wurden in der WTO bislang ausgeklammert, auf Betreiben der Entwicklungs- und Schwellenländer, die zu recht die drastische Einschränkung ihrer politischen Handlungsspielräume befürchten.   
 
Unter welchen Bedingungen würde die Linksfraktion ein Assoziationsabkommen unterstützen?  

Die Fraktion DIE LINKE. hat gerade einen Antrag in den Bundestag eingebracht, in dem wir „Solidarische Assoziierungsabkommen der EU mit den zentralamerikanischen Staaten und den Staaten der Andengemeinschaft" fordern. Das heißt konkret: Die Verhandlungsmandate der EU-Kommission dürfen nicht im Widerspruch zur regionalen Integration stehen. Die Verhandlungen müssen auf gleicher Augenhöhe und mit dem Ziel einer verstärkten Entwicklungspartnerschaft geführt werden. Es dürfen keine Geheimverhandlungen werden. Sie müssen für die Beteiligung der Zivilgesellschaft und der Parlamente geöffnet werden. Und: Sie müssen das Wohlstandsgefälle zwischen Europa und Lateinamerika berücksichtigen, das heißt, sie dürfen nicht reziprok sein. Soziale, ökologische und arbeitsrechtliche Standards müssen Vorrang vor Konzerninteressen haben. Wir haben dabei die vielfältigen Vorschläge, die von sozialen Bewegungen in Zentralamerika und den Andenstaaten und von der linken Regierung Boliviens zu den Verhandlungszielen gemacht worden waren, aufgegriffen.

 
Die nicaraguanische Frauenbewegung und Menschenrechtsgruppen sind wegen des völligen Abtreibungsverbots in Nicaragua sehr besorgt. Wie kann auf die nicaraguanische Politik Einfluss genommen werden?
 

Das Frauenplenum der Fraktion DIE LINKE. hat sich mit einem Brief an die nicaraguanische Regierung gewandt und gefordert, das Abtreibungsverbot zurückzunehmen. Das Recht auf Abtreibung hat immer zu den Essentials linker Politik gehört. Das Selbstbestimmungsrecht der Frau kann nicht kurzfristigen taktischen Überlegungen und Bündnissen geopfert werden. Ich hoffe, dass die nicaraguanische Regierung, der wir in vielerlei Hinsicht solidarisch verbunden sind, hier zu einem anderen Kurs findet.  
 
Im September diesen Jahre fliegt eine Gruppe von Bundestagsabgeordneten nach Nicaragua. Welche Themen werden auf der Tagesordnung stehen?
 

Die Planung steht noch ganz am Anfang. Und wie immer werden auch kurzfristige Entwicklungen die Agenda bestimmen. Aber da es sich um eine Delegation des Bundestagsausschusses für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung handelt, werden entwicklungs- und handelsbezogene Themen im Vordergrund stehen. Ich werde vorschlagen, dass wir neben Parlaments- und Regierungsvertreter/innen auch zivilgesellschaftliche Gruppen treffen – eben auch solche, die sich kritisch mit der Handels- und Wirtschaftspolitik von IWF und EU auseinandersetzen, und solche, die sich für das Selbstbestimmungsrecht der Frau stark machen.

18 April 2007

Projektartikel

Arbeit u. Soziales
Offenbacher Kriegsdienstverweigerer berichtet aus Nicaragua:
Der Fluss des Goldes ist ausgetrocknet
Von Timm B. Schützhofer

Ich mache seit einem halben Jahr meinen „Anderen Dienst im Ausland" (ADiA) in Rivas, einer Kleinstadt im Süden von Nicaragua. Der ADiA ist dem Zivildienst gleichgestellt. Im folgenden Text berichte ich über das Gartenprojekt des Vereins „Para Nicaragua" („Für Nicaragua"), für das ich hier arbeite und über die damit verbundenen Hoffnungen und Probleme von 22 Familien.

Gerhard, Mitglied von Para Nicaragua, und Mitarbeiter Herberto
Gerhard, Mitglied von Para Nicaragua, und Mitarbeiter Herberto besprechen den Bau eines Gewächshauses

Wenn ich von meiner Unterkunft im Lehrerviertel in die Innenstadt von Rivas fahre, überquere ich auch den "Rio de Oro", auf Deutsch: „Fluss des Goldes". Einige hundert Meter weiter liegt der Park, noch ein Stück geradeaus der Markt und rechts ab geht es auf die „Straße der Millionäre". Doch Millionäre gibt es hier ebenso wenig, wie es im „Fluss des Goldes" Gold gibt. Nicht einmal Wasser findet man in diesem Fluss, nur Schlamm.

Sorgen um die Zukunft unseres Gartenprojekts

Die Trockenzeit trifft Nicaragua in diesem Jahr besonders hart, da es auch in der vorhergehenden Regenzeit viel zu wenig Niederschläge gab. Wir machen uns Sorgen um die Zukunft unseres Gartenprojekts.

Ich biege mit meinem Fahrrad auf den staubigen holprigen Weg nach La Chocolata ein, um dort Familien zu besuchen, die sich an unserem Brunnen- und Gartenprojekt beteiligen, aber auch andere, die ich für eine Beteiligung gewinnen will. Eine kleine Herde Ziegen uns Kühe kommt mir entgegen und macht nur sehr widerwillig Platz; kaum, dass sie mich durchlassen. Vor einem Radfahrer haben sie noch weniger Respekt als vor einem Auto. Dann überhole ich einen altertümlichen einachsigen Ochsenkarren. Kurz vor La Chocolata erwischt es mich dann doch noch: Einer von diesen hochrädrigen Jeeps überholt mich in hohem Tempo. Ich gerate voll in die Staubwolke, sehe kaum noch was, atme den Dreck ein und versuche, ihn wieder auszuhusten… Wer hier ein Auto hat, zeigt das gern den anderen. Sie nehmen es ihm seltsamerweise nicht übel.

Don Ponciano sitzt vor seinem Haus auf der kleinen Anhöhe und schaut den Kindern zu, die sich unten vor der gegenüberliegenden kleinen Grundschule auf dem Spielplatz vergnügen. Das Landstück dafür hat er gespendet.

La Chocolata ist ein besonders armer Vorort von Rivas: Staubige, holprige Wege, die dürftigen Hütten liegen verstreut an den steilen, schluchtigen Hängen. Wenn man diesen Weg weiterfährt – einen Geländewagen sollte man dann schon haben – kommt man in einer guten Stunde zu einigen wunderschönen Stränden an der Pazifikküste. Kurz hinter La Chocolata stehen die ersten Werbeschilder der Immobilienmakler „Century 21, BEST VALUE REALTY …LOTS, HOMES FARMS …OCEAN FRONT Offices in San Juan del Sur . www.c21nicaragua.com…."  Die schönen Küstenareale werden zu steigenden Preisen verkauft…

Unterstützung für 22 Familien

Meinen ersten Besuch mache ich bei der Familie von Doña Olga und Don Wilbert . Betrübt zeigen mir Wilbert und Olga ihren austrocknenden Brunnen, die einzige Wasserquelle in der Nähe. "Vor 5 Jahren war der Brunnen 12,5 Meter tief, dann mussten wir ihn weiter vertiefen und heute ist er bei fast 18 Metern, doch er hat kaum noch Wasser".

Wilbert arbeitet bei der Landwirtschaftshochschule EIAG als Wachmann, seine Frau nimmt am Gemüseanbau-Projekt meines Vereins „Para Nicaragua" teil. Ihr vierzehnjähriger Sohn besucht noch die Schule, die kleine Tochter begleitet uns auf unserem Rundgang über das Gelände. Sie sind eine richtige Vorzeigefamilie für unsere Projekt: Sie haben schon einen Garten angelegt, den vor allem Olga sehr gut in Stand hält, halten ein paar Schweine in einem ordentlich gebauten Stall aus Holzbrettern, dann haben sie noch ein Bananenfeld, Mais und Sorgum (Hirse) wachsen auf den Feldern, es gibt ein paar Obstbäume…

22 Familien wurden bisher in das Projekt einbezogen. Sie erhielten von uns zunächst den Stacheldraht und die Holzpfeiler für einen Zaun sowie Samen verschiedener Gemüse­sorten und Früchte. Ein Arbeiter betreut die Familien und es gibt bereits ein Gewächshaus, aus dem sie kostenlos neue Pflanzen beziehen können. Nun aber ist das Projekt durch die große Trockenheit bedroht.

Unser Hauptproblem ist das Wasser

 „Das Wasser reicht gerade noch so zum Kochen und Duschen, und einen Tag wasche ich Wäsche und am anderen Tag gieße ich die Pflanzen", erklärt mir Olga. Bisher haben die Pflanzen den Wasser­mangel überdauert, aber sie kümmern dahin und auf eine gute Ernte hat Olga kaum noch Hoffnung. Dabei hatte sie sich doch schon vorgestellt, wie sie in Zukunft den Speiseplan ihrer Familie abwechslungsreicher und gesünder gestalten und den Überschuss in ihrer kleinen Tienda verkaufen könnte, die sie im Vorraum ihrer Hütte eingerichtet hat.
Aber anderen Familien geht es noch schlechter. Diejenigen, die keinen eigenen Brunnen haben, müssen bei Nachbarn um Wasser bitten und dafür oft weit laufen. „Das Wasser ist das Hauptproblem", meint auch unser Mitarbeiter Don Herberto, der die 22 Familien  einmal wöchentlich besucht, um sie zu  beraten und sich über den Fortgang des Projekts zu informieren.

Herberto mit dem Sohn von Olga und Wilbert
Herberto erklärt dem Sohn von Olga und Wilbert die Pflege des Gemüsegartens

Immer wieder bin ich bei den Leuten zuhause gewesen, um mit ihnen über ihre Mitarbeit im Projekt zu reden; vor allem musste die Eigenbeteiligung der Familien geklärt werden. Jede Familie soll bei der Arbeit helfen und auch finanziell so viel dazugeben, wie ihr möglich ist, damit am Ende möglichst viele Familien profitieren können. Es ist nicht immer einfach, die Leute von den Vorteilen eines Gartens zu überzeugen. Vor allem die Männer sind skeptisch; bedeutet so ein Gemüsegarten doch auch mehr Arbeit … Arbeit, von deren Erfolg sie noch nicht immer überzeugt sind, vor allem jetzt angesichts der Trockenheit. Mit einem Brunnenbauer mussten die Preise verhandelt werden. Je weiter ich diesen mit Hilfe von Don Raul, unserem erfahrenen Verbindungsmann vor Ort, runterhandeln konnte, um so mehr Brunnen können gebaut werden. Das nutzt dem Projekt, aber dennoch beschleicht mich ein komisches Gefühl, wenn ich bedenke, was das für eine Knochenarbeit ist, so einen Brunnen auszuheben.

Bau neuer Brunnen dringend notwendig

Vor allem die Frauen kümmern sich um die Gemüsegärten. Sie produzieren hauptsächlich für den Eigenbedarf. In der letzten Regenzeit haben einige auch schon damit begonnen, ihre Tomaten, Chili, Melonen und Paprika auf dem Markt in Rivas zu verkaufen, um sich ein paar Cordobas dazu zu verdienen. Ohne Wasser ist jedoch kein Gartenbau möglich und das erfolgreich gestartete Projekt ist durch den Wassermangel in seiner Existenz bedroht.

Eltern und Damaris
Besuch aus Deutschland: die Eltern des Autors mit Damaris (links) im Gewächshaus
Fotos: Timm B. Schützhofer


Doch wir sind dabei, das Wasserproblem in den Griff zu kriegen. Möglichst noch in diesem Jahr wollen wir mit dem dringend notwendigen Bau von neuen Brunnen und der Vertiefung bereits bestehender beginnen. Finanzielle Unterstützung dafür haben wir auch bei der Hilfsorganisation „Christian Aid" beantragt und hoffen auf eine positive Antwort. Auch die Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung von Rivas/Alcaldia klappt zunehmend besser.

Wir erwarten, dass in den kommenden Jahren noch weitere Brunnen gebaut werden müssen. Schließlich wollen wir auch andere Familien bei den Brunnen zum Zug kommen lassen und das Gemüseprojekt weiter ausbauen. Als nächster Schritt ist geplant, einigen Familien einen begehbaren Hühnerstall zu finanzieren.

Spendengelder werden effektiv eingesetzt

Vielleicht kann unsere Arbeit in „La Chocolata" Modellcharakter bekommen, da besonders die armen Menschen davon profitieren und gute Mitarbeit belohnt wird. Dadurch wird das meist aus Spenden kommende Geld besonders effektiv eingesetzt. Durch eigene Arbeit können die Familien ihre Ernährung um wichtige Vitamine und Nährstoffe erweitern und gleichzeitig Geld sparen. Für nächstes Jahr ist die Integration neuer Familien geplant, denn in Zusammen­arbeit mit der Stadtverwaltung sollen 14 Häuser einen Wasseranschluss/Brunnen bekommen. Viele von ihnen wollen nun auch mit dem Gemüseanbau beginnen.

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09 April 2007

Assoziationsabkommen EU-CA

Bündnis in Zentralamerika gegen Assoziation mit EU PDF Drucken E-Mail
Samstag, 31. März 2007
Der EU geht es offenbar um
die Interessen der Multis


Von Timm B. Schützhofer, Managua

Managua (LiZ). In der im März 2006 veröffentlichten Erklärung von Tegucigalpa machen Bauernorganisationen, Frauengruppen, Lehrer, kleine Produzenten, Studentenorganisationen, Gruppen aus der Entwicklungszusammenarbeit, unabhängige Organisationen (NGO) und viele andere mehr ihre Ablehnung des geplanten Assoziationsabkommens zwischen der EU und Zentralamerika deutlich. Das CAD (Colectivo Centroamerica por el Dialogo), ein Netzwerk von Organisationen aus Honduras, Guatemala, El Salvador, Nicaragua, Costa-Rica und Panama, stellt fest: „Das Assoziationsabkommen, so wie es von den politischen Funktionären vorgestellt wurde, ist ein neues Freihandelsabkommen".



Das CAD ist eines der sozialen Bündnisse, die die Erklärung des Forums von Tegucigalpa unterzeichnet haben. „Ein Handel in Gerechtigkeit und Gleichheit ist möglich", heißt es in der Überschrift. Die sozialen Bewegungen sind sich indessen einig, dass die so genannten Freihandelsabkommen weder zu Gerechtigkeit, noch zu Gleichheit führen und viele negative Folgen für die Völker Zentralamerikas haben, da sie den Gegensatz zwischen Arm und Reich noch verstärken. In der Erklärung von Tegucigalpa wird den Europäern vorgeworfen, vor allem auf die Liberalisierung der Märkte aus zu sein, damit die europäischen Multis an der Privatisierung der öffentlichen Dienstleistungen profitieren können.

Die Staaten Europas sollten endlich ihre Entwicklungsausgaben auf 0,7 Prozent ihres BIP erhöhen, wozu sie sich auf verschiedenen internationalen Foren verpflichtet haben. Deutschland gab 2005 nur 0,36 Prozent seines BIP für Entwicklungszusammenarbeit aus. Die Entwicklungsausgaben sind im Haushalt jedoch gestiegen und man hält in der Bundesregierung an dem Ziel fest, die 0,7 Prozentmarke bis 2015 zu erreichen.  „Am Ende jedweder Verhandlung zwischen unseren Regionen darf nicht die Schaffung neuen Freihandelszone stehen, …", macht die Erklärung deutlich. Den Regierungen Zentralamerikas wird vorgehalten, nicht die Interessen der großen Bevölkerungsmehrheit zu verteidigen, sondern die Interessen kleiner mächtiger ökonomischer Gruppen.

Statt eines Freihandelsabkommens fordert man eine Integration Zentralamerikas auf politischem, sozialem sowie wirtschaftlichem Gebiet und im Umweltbereich. Eine Integration, die dabei hilft, den Reichtum der Region gerechter zu verteilen. Im Bereich der Patentrechte soll eine Politik betrieben werden, die die Gesundheitsversorgung der zentralamerikanischen Bevölkerung ins Zentrum stellt – nicht die Gewinne der Pharmaindustrie. Die genetischen Ressourcen der Region sollen geschützt werden. Aufgrund der großen Biodiversität (Artenvielfalt) der Region ist dies ein besonders wichtiges Thema zwischen EU und Zentralamerika.

Statt weiterer Privatisierungen möchte man verantwortlich für die soziale und ökonomische Entwicklung handeln und den generellen Zugang zu den öffentlichen Dienstleistungen, Gesundheit und Bildung sicherstellen. Die Entwicklungszusammenarbeit soll sich auf den Kampf gegen die strukturellen Gründe für Armut und Ungleichheit in Zentralamerika konzentrieren. Unter anderem werden auch Mechanismen gefordert, durch die soziale Bewegungen in den Entscheidungsprozess einbezogen werden können, was nach Angaben der CAD bei den Verhandlungen der bestehenden Freihandelsabkommen nicht der Fall war; sie werden „immer ohne die effektive Partizipation (Teilhabe) der sozialen Bewegungen, der kleinen Produzenten, der Bauern, der Frauen und generell ohne die Mehrheit der betroffenen verarmten Bevölkerung verhandelt und verabschiedet". Jedes Land solle selbst über seine Entwicklungspolitik entscheiden und selbst nach nachhaltigen Entwicklungswegen suchen dürfen.

Um eine echte Integration zu bewirken, die Menschenrechte und Demokratie stärkt und die geltenden Verfassungen über Handelsabkommen stellt, werden die sozialen Bewegungen auch weiterhin zu sozialen Protesten aufrufen, um den Widerstand gegen die exklusiven Strategien, gegen Unterdrückung, Ausbeutung und Zerstörung der Völker auszudrücken. Die Anwendung neoliberaler Strategien sieht die CAD als gescheitert an. Als Folgen der neoliberalen Politik und der Befolgung der Auflagen internationaler Finanzinstitutionen wie Weltbank und IWF werden genannt: Die wachsende Schere zwischen Arm und Reich, die Gewalt gegen und die Morde an Frauen und die Verletzung ihrer sexuellen Rechte, das Anwachsen der kriminellen Jugendbanden, die wachsende und massive Emigration und die in Folge der Strukturanpassungsprogramme schwindenden Möglichkeiten des Staates, eine soziale Politik durchzuführen. 


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