29 Mai 2007

Soziale Akzente

Ortega setzt soziale Akzente
Land soll in den nächsten fünf Jahren vom IWF unabhängig werden 
 
Von Timm B. Schützhofer 
 
Präsident Daniel Ortega
Foto: AFP
Nicaraguas Regierung verbessert mit ihrer Sozialpolitik die Lebensbedingungen der Bevölkerung. Für manche gehen die sozialdemokratischen Reformen jedoch nicht weit genug, sie fordern grundlegende Veränderungen.

Die nicaraguanische Regierung verhandelt derzeit mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) über ein neues Programm. Präsident Daniel Ortega machte bereits klar, dass sich seine Regierung möglichst schnell von der internationalen Finanzinstitution unabhängig machen will. »Noch vor Ablauf der fünf Jahre meiner Präsidentschaft wird Nicaragua vom Fonds befreit sein«, versicherte Ortega in einem Gespräch mit Lehrern. Er erklärte weiter, dass man sich bei der Lohnpolitik keine Vorschriften vom IWF machen lassen werde. Diese Äußerung diente wohl auch der Beruhigung der Lehrkräfte, die sich gerade eine Erhöhung ihrer extrem niedrigen Gehälter mühsam erstreikt haben. Ein Lehrer verdient trotz der Gehaltserhöhung nur knapp über 50 Prozent des Durchschnittseinkommens im formellen Beschäftigungssektor.
Bei ihrem Programm »Hambre Cero« (Null Hunger) setzt die Regierung auf eine produktive Sozialpolitik statt Almosen, die auch bei der Befreiung von den entwicklungsfeindlichen Zwängen des IWF helfen soll. Zehn Millionen Dollar sind im Haushalt für das Programm vorgesehen, bei dem trächtige Kühe, Schweine, Ferkel und Geflügel an besonders arme Bauernfamilien übergeben werden. Mittelfristig sollen dadurch die Lebensmittelimporte und damit das Außenhandelsdefizit erheblich verringert werden. Bei der Durchführung setzt die Regierung auf Nichtregierungsorganisationen (NRO), die bereits in den Gemeinden arbeiten.
Der produktive Ansatz wird auch durch die Gründung einer Filiale der venezolanischen »Bank für wirtschaftliche und soziale Entwicklung« (Bandes) verfolgt, die ab Juni besonders günstige Kleinkredite mit nur zwei Prozent Zinsen an landwirtschaftliche Kooperativen verteilen wird. Mit ihren 27 Millionen Dollar Startkapital ist die Bank aus Venezuela ein Schritt in die richtige Richtung. José de Jesús Bermúdez, der bei der Regierung für die Umsetzung der Freihandelsverträge zuständig ist, meint jedoch, dass die Kredite aus Venezuela keineswegs ausreichen, um die landwirtschaftliche Produktion im Land wirklich anzukurbeln. Dazu brauche man eine staatliche Entwicklungsbank.
Es ist eine Reihe schnell spürbarer Verbesserungen, mit denen die Regierung versucht, an Popularität zu gewinnen. So erhöhte sie den Mindestlohn um 18 Prozent, setzte den unentgeltlichen Schulbesuch und die kostenlose Grundversorgung in Krankenhäusern durch. Auch der Kampf gegen den Analphabetismus ist intensiviert worden. Im ganzen Land werden kostenlose Kurse nach der erfolgreichen kubanischen Methode »Ich kann doch« angeboten. Ein Zeichen für soziale Sensibilität war auch die Senkung der Regierungsgehälter, durch die zum Beispiel der Präsident nur noch 3200 Dollar monatlich verdient. Vorher waren es etwa 10 000 Dollar.
Dennoch wird Kritik geäußert: Ehemalige Regierungsangestellte sind sauer, weil sie gefeuert wurden. Die Presse ist über Geheimnistuerei der Regierung verärgert. Beobachter sind besorgt, Ortega könne durch die Einrichtung von sandinistisch dominierten Räten das Parlament schwächen. Und auch viele Erwartungen gehen über Ortegas Vorstellungen hinaus: Soziale Bewegungen und linke Ökonomen drängen zu tiefgreifenderen Maßnahmen. Um wirkliche Veränderungen herbeizuführen, bedürfe es einer Steuerreform, bei der die Reichen endlich angemessen belastet werden, mahnt nicht nur die Coordinadora Civil, der Zusammenschluss nicaraguanischer NRO.

22 Mai 2007

IWF-Verhandlungen


Befreit sich Nicaragua von IWF?

Timm Schützhofer. In diesem Frühjahr beginnen die Verhandlungen über ein neues Programm des Internationalen Währungsfonds (IWF) für Nicaragua.

Präsident Daniel Ortega kündigte jedoch an, dass sich Nicaragua noch in seiner Amtsperiode vom IWF befreien werde. Am ersten Mai wünschte der Vorsitzende des sandinistischen Gewerkschaftsverbandes FNT Gustavo Porras vor zehntausenden Zuhörern gar dem IWF den Tod. Gleichzeitig nannte er es jedoch verantwortungsvoll, dass die sandinistische Regierung über ein neues IWF Programm verhandelt.

Der IWF selbst befindet sich derweil nach Angaben des leitenden Ökonomen des zivilgesellschaftlichen Bündnisses Coordinadora Civil, Adolfo Acevedo Vogl, in einer tiefen Krise.

"Die Vorhersage ist, dass die Zahlungen von Schulden und Zinsen im Jahr 2006 von 3190 Millionen Dollar auf 1390 Millionen Dollar zurückgegangen sind und bis 2009 auf 635 Millionen Dollar. Zum ersten Mal kann der IWF seine operativen Kosten nicht aus den Zinsen der Schuldnerländer bezahlen", erklärt Vogl die finanzielle Krise des IWF. Grund dafür ist, dass die Schwellenländer - bis auf die Türkei - inzwischen ihre Schulden beim IWF zurückgezahlt haben. "Oft hat der IWF durchgesetzt, dass sich die Länder streng an Formeln hielten, die zu großen Problemen, Ungleichheiten und hohen Kosten für die Länder geführt haben. Danach hat sich der IWF geweigert, in irgendeiner Art und Weise Verantwortung für die Folgen seiner Ratschläge zu übernehmen." Länder wie Russland, Polen, Südkorea, die ehemaligen Sowjetrepubliken und zuletzt Ecuador haben sich inzwischen vom IWF befreit. Vor allem in Südamerika sucht man inzwischen nach neuen Finanzierungswegen. Brasilien, Argentinien, Bolivien, Venezuela und Paraguay kündigten die Gründung einer Bank des Südens an. Hugo Chávez hat bereits den Austritt seines Landes aus IWF und Weltbank angekündigt.

Der IWF betreut neben der Türkei also nur noch einige der ärmsten Länder der Welt. Selbst der Direktor des IWF, Rodrigo Ratio, bezweifelt derweil, ob der IWF die richtige Organisation zur Betreuung dieser Länder ist. Ziel des IWF- Direktors ist es allerdings, keine günstigen Kredite mehr vergeben zu müssen.

Im Falle Nicaraguas sei ein Programm des IWF im Grunde nicht notwendig, merkt Adolfo Acevedo Vogl an. Das Land habe schließlich eine solide wachsende Wirtschaft, nur noch wenige Auslandsschulden und eine niedrige Inflation. Der Grund dafür, dass Nicaragua und andere Länder dennoch ein IWF Programm anstreben, liegt darin, dass einige Europäische Geberländer die Auszahlung ihrer Hilfe weiterhin an die Existenz eines IWF- Programms binden.

Ziel der Regierung Ortega muss es nun sein, die Auflagen des IWF zu minimieren. Dabei sollte die Regierung auf Geheimverhandlungen verzichten und die sozialen Bewegungen und NGOs mit einbeziehen. Der Präsidentenberater für soziale Angelegenheiten, Orlando Nuñez, erklärt, dass man den Kampf gegen die Armut unbedingt gegenüber dem IWF verteidigen müsse. Was die Verhandlungen am Ende wirklich ergeben, bleibt abzuwarten.


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07 Mai 2007

Operation Wunder

Operation Wunder: Kuba und Venezuela helfen Nicaragua

Mit der Hilfe wurde schon vor dem Wahlsieg Daniel Ortegas begonnen. Die sandinistisch dominierte Vereinigung demokratischer Bürgermeister koordinierte das Projekt, das Tausenden Nicaraguanern das Augenlicht zurückbringen soll. Kuba ließ mit dem Projekt seine Tradition medizinischer Hilfe zusammen mit Venezuela wieder aufleben, das die Finanzierung der "Operation Wunder" absichert.

Yahoo News berichtet, dass  bisher arme  3200 Nicaraguaner mit beschränkten finanziellen Mitteln gratis in Kuba und Venezuela operiert wurden. Das Projekt soll noch 10 Jahre fortgesetzt werden, so dass insgesamt bis zu 50 000 Nicaraguaner operiert werden könnten. Schon bald wird es nicht mehr nötig sein, die Patienten nach Kuba oder Venezuela zu fliegen, da die Operationen in Nicaragua selbst durchgeführt werden sollen. Eine Augenklinik wird bereits in Ciudad Sandino in der Nähe von Managua eingerichtet. Kuba hat dafür medizinisches Gerät im Wert von 600000 US- Dollar gespendet. Hier sollen täglich bis zu 80 Patienten operiert werden. Darüber hinaus werden Kliniken an der Atlantikküste eingerichtet. Die Operationen sollen von kubanischen und auf Kuba ausgebildeten nicaraguanischen Ärzten behandelt werden.

Kuba vergibt Stipendien an Studenten aus insgesamt 49 Ländern. Auf Kuba ausgebildete nicaraguanische Augenärzte sollen den Hauptteil der Operationen übernehmen. 
 
Die linksliberale nicaraguanische Zeitung El Nuevo Diario lobt das Projekt und stellt klar, dass keineswegs nur Sandinisten von der Hilfe profitieren. So freut sich auch Boanerges Cruz, der von der Stadt Jinotega ausgewählt wurde, über die gelungene Operation an seinem rechten Auge. Auf die Frage eines Kubaners, ob er Sandinist sei,habe er ohne Zögern geantwortet: "Nein, ich bin liberal".  "Ich fühle mich sehr gut. Ich sehe! Es ist wirklich ein Wunder", sagt er dem Nuevo Diario. 

Klar ist auch, dass dem Projekt zunächst viel Skepsis entgegengebracht wurde. Viele Liberale verbreiten immer noch Schreckensbilder von der angeblichen Armut auf Kuba. "Sie haben mir erzählt, dass ich Hunger leiden würde, doch sie haben mich wunderbar behandelt", erzählt eine Patientin dem Nuevo Diario.

Für viele Nicaraguaner kommt die Hilfe wirklich wie ein Wunder. In den Privatkliniken Nicaraguas kosten die Operationen an grünem und grauem Star oft bis zu 2000 Dollar. Für die große Mehrheit der Nicaraguaner ist eine solche Summe nicht aufzubringen.