13 März 2007

Artikel im Neuen Deutschland

Keine Schonfrist für Daniel Ortega
Nicaraguas Regierung löst erste Versprechen ein, wahrt in der Wirtschaft jedoch Kontinuität 
 
Von Timm B. Schützhofer, Rivas 
 
Zwei Monate ist Daniel Ortega inzwischen wieder Präsident Nicaraguas. Eine klare Linie in der Politik des Sandinistenführers ist derweil noch nicht zu erkennen.

Die Antwort war meist dieselbe: »Weil Daniel für die Armen ist.« Dieses Argument für den Kandidaten Daniel Ortega fiel im Präsidentschaftswahlkampf häufig. Von Ortega erhofften sich seine Anhänger eine bessere Gesundheitsversorgung und Schulbildung für ihre Kinder.
In der Tat, hat die neue sandinistische Regierung zwei Wahlversprechen bereits erfüllt: Schulen und Krankenhäuser arbeiten gratis. Das war unter der vorherigen Regierung nicht durchweg üblich. Dieser erste Schritt wird jedoch nicht ausreichen, um alle schulpflichtigen Kinder in die Schulen zu bekommen. Der Ökonom Adolfo Acevedo Vogl weist darauf hin, dass viele Kinder im Straßenhandel tätig sind oder den Eltern auf dem Feld helfen müssen. Wenn sie stattdessen die Schule besuchen, fehlen sie den Familien. Außerdem müsse vielen Eltern erst noch begreiflich gemacht werden, wie wichtig gute Schulbildung für die Zukunft der Kinder ist.
In der Wirtschaftspolitik lässt sich indessen viel Kontinuität zur Regierung des Ortega-Vorgängers Enrique Bolaños erkennen. Trotz aller Nachteile des Abkommens – die Ortega selbst benennt – hält er an der Zugehörigkeit Nicaraguas zur mittel-amerikanischen Freihandelszone CAFTA fest, die die USA, Zentralamerika und die Dominikanische Republik einschließt. Immerhin kann Ortega darauf verweisen, dass die Textilexporte aus den steuerbefreiten Zonen dank dem Freihandelsabkommen gestiegen sind.
Zugleich begann der Präsident, weitere Kooperationsabkommen mit befreundeten Staaten wie Kuba, Venezuela und Bolivien abzuschließen. Am wichtigsten ist wohl der Beitritt Nicaraguas zur bolivarianischen Alternative für die Amerikas (ALBA), dem das Parlament allerdings noch zustimmen muss. ALBA wurde 2004 von Kuba und Venezuela gegründet, und unter Präsident Evo Morales trat auch Bolivien dem Bündnis bei, das Kooperation – nicht Konkurrenz – in den Vordergrund der Beziehungen zwischen den Staaten stellt.
Was die Unterstützung durch Kuba und Venezuela genau bedeutet, wird sich noch zeigen müssen. Die derzeitige Hilfe Venezuelas, vor allem bei der Bewältigung der schon rund ein Jahr andauernden Energiekrise Nicaraguas, hat bereits zu einem merklichen Rückgang der Stromausfälle geführt. Venezuela liefert Öl zu Preisen weit unter Weltmarktniveau, darüber hinaus wurde bereits mit der Errichtung von Kraftwerken aus Venezuela begonnen.
Über eine neue Filiale einer staatlichen venezolanischen Bank werden Kleinkredite an kleine landwirtschaftliche Produzenten verteilt. Die Rückzahlungspflicht setzt erst nach zwei Jahren ein, der Zinssatz ist extrem niedrig und bewegt sich mit zwei Prozent weit unter der Inflationsrate. Für das erste Jahr stehen 20 Millionen Dollar zur Verfügung, mit deren Hilfe die landwirtschaftliche Produktion angekurbelt werden soll. Dieses Ziel wird auch mit dem Programm »Hambre Cero« (Null Hunger) verfolgt, das Kredite im Gesamtumfang von 30 Millionen Dollar jährlich für besonders arme Kleinbauern vorsieht. Außerdem wolle man die Familien in Anbau und Viehzucht schulen, erklärt der Leiter des Programms Orlando Nuñez. In Nicaragua gebe es viele verarmte Bauern, die zwar Land haben, bisher jedoch über keinen Zugang zu günstigen Krediten verfügten.
Kritisiert wird die Regierung vor allem wegen ihres von vielen als autoritär empfundenen Stils. Nicht nur Liberale und Konservative kritisieren Daniel Ortega. Auch Mario Guiterrez von der Coordinadora Civil, einem losen Zusammenschluss verschiedener nicaraguanischer Organisationen, beanstandet die absolute Kontrolle der FSLN durch das Caudillo-Pärchen (gemeint sind Daniel Ortega und seine einflussreiche Ehefrau Rosario Murillo). Dass die FSLN-Fraktion für das völlige Abtreibungsverbot gestimmt habe, sei nur ein Beispiel für den puren Machtwillen Ortegas.
Gleichwohl verspricht der neue Präsident mehr direkte Demokratie und die Einrichtung von Räten, in die alle gesellschaftlichen Gruppen einbezogen werden sollen. Nach Aussage Ortegas soll die Regierung dazu verpflichtet werden, die Entscheidungen dieser Räte dem Nationalparlament vorzulegen. Beobachter fürchten jedoch eine sandinistische Dominanz in diesen »Consejos« und stellen die Verfassungsmäßigkeit der Vorhaben Ortegas in Frage. Für Diskussionsstoff ist in Nicaragua also weiter gesorgt.