22 Dezember 2006

Artikel in der Berliner Umschau

Geheimverhandlungen über die IWF

Auflagen für Nicaragua erregen Skepsis bei der Coordinadora Civil

Von Timm B. Schützhofer, Rivas



Nicaragua hat durch die Wahl Daniel Ortegas einen vermeintlich linken Präsidenten bekommen. "Wir sind stolz darauf, uns Freunde von Fidel Castro nennen zu dürfen", erklärte der Vizegeneralsekretär Thomás Borge im Wahlkampf. Daniel Ortega war auch der erste gewählte Präsident, der Hugo Chávez nach dessen Wiederwahl besuchte. Doch was wird in Nicaragua geschehen?

Bis jetzt deutet vieles auf Kontinuität, vielleicht auf zu viel Kontinuität. Momentan versucht der sandinistische Präsident vor allem das Vertrauen der internationalen Kreditgeber und Inversionisten gewinnen. Daniel Ortega hat sich klar für das Freihandelsabkommen DR- CAFTA zwischen Zentralamerika und den USA ausgesprochen und möchte die Verhandlungen zu einem Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union vorantreiben.

Was er tun wird, um seine Wahlversprechen zu halten, ist noch unklar. "Die Hilfe von Hugo Chávez wird nicht alle Probleme lösen", warnt Adolfo Acevedo Vogl vor zuviel Vertrauen auf Hilfe von außen. Der leitende Ökonom der Coordinadora Civil sieht keine Chancen auf eine positive soziale Entwicklung, sofern die Auflagen des IWF für Nicaragua nicht gelockert werden. Dass Daniel Ortega mit dem IWF geheim verhandeln will, macht ihn skeptisch. Der ehemalige Commandante und jetzige Großunternehmer Bayordo Arce habe sich grundsätzlich mit den Auflagen des IWF einverstanden erklärt und die Frente höre in ökonomischen Fragen praktisch immer auf Bayardo Arce. Das Wahlversprechen "kostenlose Bildung" wird jedoch in Übereinstimmung mit dem IWF kaum zu erreichen sein. Erst vor kurzem hat der IWF sein Veto gegen ein neues Bildungsgesetz eingelegt, welches die Bildungsausgaben von heute 4,3 Prozent des BIP bis 2010 auf 6 Prozent des BIP anheben sollte. Im Nachbarland Honduras und in Bolivien liegen die Bildungsausgaben, bei etwa 7 Prozent. Auch die miserablen Löhne der Lehrer, Krankenschwestern, Ärzte und anderer öffentlicher Angestellter dürfen nicht erhöht werden. Der IWF fürchtet vor allem einen "Demonstrationseffekt", der dazu führen könnte, dass auch die Arbeiter in den Maquilas höhere Löhne fordern.

Insgesamt hat der IWF Nicaragua
37 Auflagen gemacht , das Reglement ist ein dicker Wälzer von über 400 Seiten. In einer gemeinsamen Stellungnahme von Caritas und Intermón Oxfam liest man über die Auflagen des IWF: "Die mangelnde Priorität, welche die Institution den Milleniumszielen einräumt, indem sie Auflagen aufrecht erhält, die sogar den eigenen Interessen widersprechen, hat eine große Bedeutung. Wenn Länder den IWF- Ratschlägen folgen, riskieren sie das Erreichen der Ziele. Wenn sie ihnen nicht folgen, riskieren sie ihre Fähigkeit Ressourcen zu erhalten, sowohl durch den IWF selbst, als auch durch Geldgeber, die oft von den Ländern erwarten, "auf Linie" der Bretton Woods Organisation zu liegen.

Die Auflagen des IWF reichen inzwischen in fast alle Politikbereiche hinein. Neben der Sozial-, Bildungs-, Gesundheits-, und Sozialpolitik spielt der IWF auch in der Energiepolitik des Landes eine wichtige Rolle. Verlangt werden beispielsweise festgelegte Strompreiserhöhungen für den privaten Strommonolpolisten Union Fenos und eine Reform des "Energie- Stabilitätsgesetzes", um dafür zu sorgen, dass der Staat die Benzinpreise nicht kontrollieren kann. Bei der Coordinadora Civil hält man die staatliche Regulierung derweil für wichtig, um die quasi monopolistische Marktmacht der Ölmultis einzuschränken. "Nicaraguas Benzinpreise sind doppelt so hoch wie im Durchschnitt der Region und dies im ärmsten Land der Region", erklärt Adolfo Acevedo Vogl. Das Nationalparlament beschränkt sich inzwischen immer mehr darauf, die so genannten IWF- Gesetze abzunicken, welche in Geheimverhandlungen zwischen Regierung und IWF ausgehandelt werden. Änderungen an den Gesetzen gestattet der IWF nicht und das Parlament lässt es sich gefallen. Auf die Frage, welchen Preis Nicaragua wegen der IWF- Auflagen zahlen müsse, antwortet Vogl: "Der erste Preis, der bezahlt werden muss, ist, dass wir ohne Land dastehen und ohne die Fähigkeit, grundlegende Entscheidungengen auf Ebene des Landes zu treffen. Die Demokratie ist zu einer Täuschung geworden." Die Entscheidungen würden stattdessen durch eine antidemokratische Organisation getroffen, deren Bürokratie keine Verantwortung für die Folgen ihrer Entscheidungen übernimmt, die Millionen von Menschen betreffen.

Veröffentlicht: 22. Dezember 2006