29 Oktober 2006

Nochmal die Linkszeitung


REPORTAGE: Wahlkampf in Nicaragua PDF Drucken E-Mail
Samstag, 28. Oktober 2006
"Die Dächer sollen nicht aus
Plastik sein, sondern aus Zink"


Von unserem Korrespondenten Timm B. Schützhofer


frente
Wahlplakat von Daniel
Ortegas Frente Sandinista

Managua (ppa). "Was wir wollen, ist Arbeit und Frieden", dröhnt es zur Melodie von John Lennons "Give Peace A Chance" aus  den Lautsprechern. Mehrere tausend Menschen dürften es sein, die im beschaulichen, 28.000 Einwohner zählenden Rivas auf die Ankunft des Commandante Daniel Ortega warten. Als die Hymne der Frente ertönt, werden die rot-schwarzen Fahnen geschwenkt. Dann erscheint ein Hubschrauber am Horizont, fliegt einige Runden über der Versammlung. Es ist jetzt zwölf Uhr, Ortega ist zwei Stunden zu spät, also alles im Rahmen. Doch noch ist er nicht da, erst fährt er noch mit einem Autocorso durch die Stadt. Neben dem Mercedes-Jeep laufen die Bodyguards, die zwei Kreise um den Wagen des Kandidaten bilden. Zur gleichen Zeit wird noch an der Bühne für Ortegas Auftritt gebaut.

José Daniel Ortega Saavedra
füllt Straßen und Plätze in Nicaragua. Doch füllt er auch die Wahlurnen? An "Daniel", wie die Nicaraguaner den Präsidentschaftskandidaten schlicht nennen, scheiden sich die Geister, niemand hat so erbitterte Gegner und niemand so begeisterte Anhänger. Wie immer vor Wahlen in Nicaragua wird vor einer Wiederkehr des Contra-Kriegs und des Militärdienstes gewarnt. Wahlwerbespots der liberalen Parteien warnen vor Inflation und Mangelwirtschaft. Für sie ist Ortega ein Verbrecher, die Landreform der achtziger Jahre schlicht Raub. "So viele Beleidigungen, so viele Beschuldigungen, so viele Lügen, aber aus unserem Mund wird kein schlechtes Wort zu hören sein. Denn wir wissen, dass sie sich selbst Schaden zufügen. Wir antworten mit Arbeit, mit Frieden und mit Versöhnung", entgegnet Ortega unter dem Beifall seiner Anhänger.

Ortega versucht sich in diesem Wahlkampf ein neues Image zu verschaffen. Die dominierende Farbe ist Rosa und, wie schon 2001, nicht Rot-Schwarz. Die FSLN versucht eine positive Kampagne zu führen und so möglichst viele enttäuschte Liberale zur Wahl der Frente zu bewegen. "Hier in Rivas bin ich an einem sehr armen Haus vorbeigefahren, an dem Haus war Werbung der Alianza Liberal Nicaraguense befestigt, die arme Frau, die dort wohnt, hat nicht aufgehört, mich zu beleidigen, ich habe nichts gesagt, denn es ist nicht die Schuld der armen Frau, es ist Teil der fehlenden Bildung, Teil der Ignoranz."

Ortega weist auch auf einige traurige Fakten hin: den wachsenden Analphabetismus von inzwischen 35 Prozent, den Mangel an adäquatem Wohnraum und den Hunger. Sechzehn Jahre lang habe man neoliberale Modelle befolgt und dem Volk Arbeit, Gesundheit und Bildung versprochen. Mehr Reichtum für die Reichen und mehr Armut für die Armen habe dies bedeutet, erklärt Ortega und fragt seine Zuhöhrer: "Der gesegnete Papst Johannes Paul II. hatte einen Namen für dieses ökonomische Modell, er nannte es - mal sehen ob ihr euch erinnert - Kapitalismus" – "grausamer" wird von unten gerufen - "und der Papst fügte hinzu, dass die Völker nicht länger warten können, 16 Jahre haben die Armen in Nicaragua gewartet, welch' eine Geduld!"

Die katholische Kirche wird erstmals nicht mehr als Gegner des Sandinisten wahrgenommen, Kardinal Obano y Bravo hat sich sogar zu einem Verbündeten Ortegas gewandelt. Jetzt im Wahlkampf ist es wichtig, die Kirche nicht gegen sich zu haben und so sind die Parteien bereit, auf die Forderungen der Religiösen einzugehen. Plötzlich ist auch die FSLN gegen jede Art von Abtreibung, ein populistisches Manöver, mit dem auf eine Kampagne von katholischer Kirche und einigen Evangelikalen reagiert wird, die mehr oder weniger zufällig kurz vor den Wahlen gestartet wurde.

Zu diesem Thema verliert Daniel Ortega kein Wort. Er verspricht Kredite für alle und Unterstützung beim Bau von Häusern, "Häuser mit Dächern aus Zink und nicht aus Plastik". In seiner Rede sagt Ortega, was seine Zuhöhrer hören wollen, und er bringt anschauliche Beispiele für die Probleme, die in Nicaragua fast jeder kennt. Die FSLN möchte die Lösung für all diese Probleme sein. Die Frage ist nur, mit welchem Geld. Das durch den CENIS-Skandal verloren gegangene Geld könnte genutzt werden, doch das würde nicht reichen.

Die Coordinadora Civil, ein Bündnis von Nichtregierungsorganisationen und sozialen Bewegungen, schätzt, dass dem Staat im
CENIS-Skandal durch die Versteigerung von Vermögens der in Konkurs gegangenen Banken weit unter Mindestpreisen rund 580 Millionen US-Dollar verloren gegangen sind. Über Geschäftspartner soll Präsidentschaftskandidat Eduardo Montealegre durch die Insidergeschäften profitiert haben.  Bis zu 70 Millionen Dollar sollen ihm die krummen Geschäfte eingebracht haben.

Mit der Hilfe von Venezuela und Kuba kann gerechnet werden, doch auch diese wird nicht reichen. Bleibt schließlich nur, endlich konsequent die Steuern einzutreiben und die Wohlhabenden angemessen zu besteuern. Die Ressourcen, um Hunger und Elend zu besiegen, sind da. Ob die nächste Regierung die Kraft hat, den Kampf gegen die Armut konsequent und auch gegen wichtige Interessengruppen zu führen, wird sich zeigen. Den Umfragen zufolge besteht eine Chance, dass Daniel Ortega im ersten Wahlgang
gewinnt - vielleicht, alles ist offen.

1 Comments:

Blogger david seth michaels said...

Und in den Vereinigten Staaten hat man keine Idee: http://dreamantilles.blogspot.com.

5:46 PM  

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