07 September 2006

Coordinadora Civil

Nicaraguanische Nichtregierungsorganisationen im Kampf gegen den
IWFund die Korruption der Regierung

Von Timm B. Schützhofer
In der Coordinadora Civil sind die meist progressiv ausgerichteten
nicaraguanische Nichtregierungsorganisationen organisiert, die
versuchen, sich der Politik des Internationalen Währungsfonds
entgegenzustellen.

Die Kreditauflagen des IWF sind nach Auffassung der Coordinadora Civil
beim Erreichen der im Jahre 2000 von 189 Staaten unterzeichneten
Millenniumsziele eindeutig hinderlich. Damals hatte man sich darauf
verständigt „alle Männer, Frauen und Kinder bis 2015 aus prekären und
inhumanen Lebensumständen und aus extremer Armut zu befreien." Der
Hunger soll beseitigt werden, die allgemeine Grundschulbildung
garantiert werden, die Gleichstellung der Geschlechter gefördert, die
Kindersterblichkeit reduziert, die Seuchenbekämpfung verbessert, die
Umwelt nachhaltig geschützt und eine Weltentwicklungsorganisation
aufgebaut werden.

Sechs Jahre nach der Festlegung auf die Millenniumsziele sind einige
Staaten auf einem guten Weg auf dem Weg zur Verwirklichung der
genanten Ziele. In Lateinamerika sind es die in Europa und Nordamerika
meist argwöhnisch beäugten Präsidenten Hugo Chávez (Venezuela) und Evo
Morales (Bolivien) die sich mit Hilfe Kubas der Bekämpfung der Armut
gewidmet haben. Jede Woche kommen hunderte Lateinamerikaner zu sonst
unerreichbaren Augenoperationen nach Kuba und Venezuela, Bolivien wird
in absehbarer Zeit den Analphabetismus besiegt haben und tausende
kubanische Ärzte helfen bei der Gesundheitsversorgung in abgelegenen
Hochlandregionen.

In Nicaragua ist man dagegen weit davon entfernt, die Milleniumsziele
zu erreichen. Immer noch lebt ein großer Teil der Bevölkerung von
weniger als einem Dollar am Tag und 27% der Bevölkerung gelten als
unterernährt. Nur vierzig Prozent der Schüler besuchen die Schule,
über die sechste Klasse hinaus, viele müssen schon früher arbeiten,
sprich Schuhe putzen, betteln, auf dem kleinen Hof der Eltern helfen
oder Süßigkeiten verkaufen. Die Zahlen sind etwa die gleichen wie in
Mozambique, einem Land mit einem um 40 Prozent niedrigeren
Durchschnittseinkommen.

Doch was hat der IWF mit all' dem zu tun? Dient die von
Industrieländern dominierte Organisation nicht dazu, die Entwicklung
in Entwicklungsländern durch Kredite und die Förderung
verantwortungsbewusster Politik zu fördern?
Die Auflagen des IWF sind ein Buch von mehreren hundert Seiten,
mehrere hundert Seiten Vorschriften, die der Erreichung der
Millenniumsziele nach Auffassung der Coordinadora Civil widersprechen.
Auch wenn die internationale Organisation ihre Rethorik geändert habe,
sei an ihrer Politik nichts geändert worden. Immer noch steht die
Reduzierung der Sozialausgaben ganz oben auf der Liste der IWF-
Auflagen für Nicaragua. Außerdem werde Nicaragua durch die
Konzentration auf die Senkung der Staatsquote und die Rückzahlung der
Kredite jede Möglichkeit genommen sein „Humankapital" für die Zukunft
zu entwickeln.

Neben den negativen Folgen vor allem für die Ärmsten innerhalb der
nicaraguanischen Bevölkerung kritisiert die Koalition der
Nichtregierungsorganisationen auch die Einmischung in die inneren
Angelegenheiten des Landes. So kann das Parlament weder über
Gesamtsumme der Lohnausgeben entscheiden, noch über die Verwendung der
Einnahmen der Zentralbank. Man wendet sich auch dagegen, dass der IWF
versucht auch auf die Haushaltspolitik unterer Verwaltungsebenen
Einfluss zu gewinnen.

Beim IWF werden die Auflagen meist unter dem Begriff „finanzpolitische
Verantwortung" zusammengefasst, durch die Investoren Vertrauen
gewännen, was die Wirtschaft früher oder später auf Wachstumskurs
bringe. Das Wachstum in Nicaragua ist mit 3,5 Prozent für ein
Entwicklungsland jedoch vergleichsweise niedrig. Das
Krisengeschüttelte Haiti hatte im Jahr 2005 als einziges Land Amerikas
ein niedrigeres Wachstum zu verzeichnen. Demgegenüber war der
argentinische Präsident Nestor Kirchner mit der konsequenten
Nichteinhaltung der IWF auflagen erfolgreich und erreicht seit
mehreren Jahren Wachstumsraten von deutlich über 5 Prozent. Die
Schulden beim IWF konnten mit Hilfe Venezuelas inzwischen bezahlt
werden.

Doch auch mit der eigenen Regierung, die sich oft hinter den
internationalen Organisationen und deren Auflagen versteckt geht man
nicht zimperlich um. Seit 2004 stehen der Regierung Enrique Bolaños
Geyer durch einen Schuldenerlass von Weltbank und Geberländern, der
zur Bekämpfung der Armut dienen sollte, jährlich 200 Millionen Dollar
zusätzlich zur Verfügung, von denen bisher jedoch kaum Geld in die
Verbesserung der Sozialsysteme, der Bildung und die Armutsbekämpfung
geflossen ist. Anscheinend versickert das Geld bisher im
Korruptionssumpf der Regierung Bolaños oder wird zur Zinszahlung an
interne und externe Gläubiger zweckentfremdet.