20 September 2006

Artikel in der Linkszeitung

Nicaragua wäre wieder reif für die Sandinisten PDF Drucken E-Mail
Dienstag, 5. September 2006
Uneinigkeit und ein unpopulärer
Kandidat gefährden den Linksrutsch


Von unserem Korrespondenten Timm B. Schützhofer


daniel_ortega
Umstrittener Kandidat:
Daniel Ortega  auf
einem Wahlplakat
der Sandinisten

Managua (ppa). Chávez destabilisiert, Castro ist ein Diktator und Morales ein Populist - dabei braucht Nicaragua doch eine seriöse Regierung, die das tut, was US-Amerikaner und Europäer raten. Denn die Experten kommen selbstverständlich aus diesen Ländern und wissen genau, was die Dritte Welt braucht. Die Abkehr vom Neoliberalismus in Lateinamerika hat demnach ihren Grund darin, dass die Menschen dort die von den internationalen Experten vorgeschriebene Politik nicht verstehen und lieber Populisten folgen, die große Versprechungen machen und gegen die USA hetzen. Nun folgen die nicaraguanischen Regierungen bereits seit 16 Jahren solchen Ratschlägen - ohne dass sich die Wachstumsversprechungen erfüllen. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, das Elend überall sichtbar - Kinder die Klebstoff schnüffeln, alte Frauen die betteln, eine steigende Zahl an Analphabeten und ein Gesundheitssystem, das am Zusammenbrechen ist. Nach internationalen Statistiken gelten 80 Prozent der Bevölkerung als arm, das heißt sie leben von weniger als 2 Dollar am Tag.

In den Krankenhäusern laufen Hunde, Katzen und Hühner frei herum und lebensnotwendige Medikamente müssen oft in großer Eile von Verwandten in Apotheken besorgt werden. Wer kein Geld für eine lebensrettende Operation hat, stirbt.

Zugleich versucht sich US-Botschafter Trivelli als Wahlkampfhelfer für den neoliberalen Montealegre, der trotz allem gute Chancen hat, Präsident zu werden - wenn er es schafft, gegen den erneut antretenden Daniel Ortega in die Stichwahl zu kommen. Dies ist besonders deshalb verwunderlich, weil er inhaltlich eine Fortführung der neoliberalen Politik des Enrique Bolaños Geyer bedeutet, bei dem es sich Umfragen zu Folge um den unbeliebtesten Präsidenten Lateinamerikas handelt.

Eigentlich müssten die Chancen also gut stehen für eine Rückkehr der FSLN an die Macht. Bleibt die Lage in Kuba trotz der Krankheit Fidel Castros stabil, kann Daniel Ortega weiterhin mit hoch angesehenen Ärzten und Lehrern aus Kuba und Studienmöglichkeiten für Nicaraguaner in Kuba werben und außerdem die Lösung der Energiekrise durch Venezuela in Aussicht stellen.

Im Wahlkampf möchte man versuchen, die Gräben zwischen Sandinisten und Antisandinisten zu überwinden, was mit der Einbeziehung der Miskitopartei Yatama und des Ex- Contra Jaime Morales als Kandidaten für die Vizepräsidentschaft bereits teilweise gelungen ist. Doch die sandinistische Familie selbst ist gespalten. Neben der Frente Sandinista de la Revolución Nacional (FSLN) ist auch das Movimiento Renovador Sandinismo (MRS) zu einer ernstzunehmenden politischen Kraft geworden, die auch nach dem Tod ihres ursprünglichen Spitzenkandidaten und populären Ex-Bürgermeisters von Managua, Herty Lewites, gute Chancen hat, nach den Wahlen am 5. November eine wichtige Rolle zu spielen.

Die Partei, die mit dem Ökonomen Edmundo Jarquin und dem bekannten Sänger Carlos Meija Godoy ins Rennen geht, wird von einigen Prominten unterstützt, die aus der FSLN ausgetreten sind.  Darunter der ehemalige Vizepräsident und Schriftsteller Sergio Ramirez und der bekannte Priester, Poet und ehemalige Kulturminister Ernesto Cardenal. In einer Stichwahl hätte Jarquin deutlich bessere Chancen als Ortega. Dass er allerdings in die Stichwahl kommt, ist unwahrscheinlich.

Für die Sandinisten ist Daniel Ortega selbst das größte Problem bei der geplanten Rückkehr an die Macht. Allen seriösen Umfragen zu Folge sagen mehr als fünfzig Prozent der Nicaraguaner, dass sie Daniel Ortega auf keinen Fall wählen werden. Gründe dafür gibt es viele. Die durch Angstkampagnen der Rechten angefachte Angst vor einer erneuten Konfrontation mit den USA, die befürchtete Wiedereinführung der Wehrpflicht, die Erinnerung an den Contrakrieg.

Der FSLN bleibt daher nur die Hoffnung auf einen Sieg Ortegas bei den Präsidentschaftswahlen mit 35 Prozent im ersten Wahlgang und 5 Prozent Vorsprung vor dem zweitstärksten Kandidaten. Ein Ergebnis, das die letzte CID- Gallup Umfrage vorraussagt. Hier erreicht Ortega genau 35 Prozent. Danach müsste man sich dann eine Mehrheit im Parlament suchen.

Für die Lösung der wichtigsten Probleme des Landes: Armut, Analphabetismus und schlechte Gesundheitsversorgung muss man - trotz allem - auf einen Sieg der FSLN hoffen.


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